Christian Morgensterns Weg der Verwandlung des Politischen von Manfred Kannenberg-Rentschler

Christian Morgensterns Weg der Verwandlung des Politischen
ISBN/EAN: 9783942754163
Sprache: Deutsch
Umfang: 104 S.
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Dieses Büchlein offenbart einen Morgenstern, der sich zeitlebens leidenschaftlich um das öffentliche Wohl und Wehe kümmert. Und obwohl er, bedingt durch seine lebenslange damals unheilbare Lungenkrankheit, niemals ein politisches Amt oder Mandat bekleidete, denkt er das Politische der Zukunft, als unser sozial gerichtetes Wollen, ganz neu. So bringt er die verfasste Autonomie des geistigen und kulturellen Lebens unseres Gemeinwesens als ein Fundament kunftiger Gesellschaftsordnung mit auf den Weg. Als er am Vorabend der Weltkriegskatastrophe stirbt, ist er durch seine große Nähe zu Margareta Morgenstern und Michael Bauer bereits Teil der aufkommenden Bewegung fur die Entstaatlichung des kulturellen und wirtschaftlichen Lebens Mitteleuropas. Der Autor dieser Schrift findet in zahlreichen Briefen, Tagebucheintragungen, Epigrammen, kritischen Schriften und Zeitschriftenbeiträgen die Belege fur Christian Morgensterns geistige Kraft zur Verwandlung des Politischen.
Vorwort Niemand wurde behaupten wollen, Christian Morgenstern sei ein Radikaler im politischen Sinne und ein Vorbereiter einer Erneuerung der sozialen Ordnung und des gesellschaftlichen Wandels. Ich behaupte es. Morgenstern arbeitet sich mittels der Umwortung aller Worte hindurch durch die Zensur, Vormundschaft, Subordination, den Militarismus und die Phraseologie seiner Lebenszeit im wilhelminischen Deutschen Reich. Mit den Mitteln seiner selbst geschaffenen Galgenpoesie, Satire, Kritik und Weisheit, die er der Öffentlichkeit mitteilt, gelangt er zur höchsten sozialen Anteilnahme: Selbstverwandlung und Mitleid. Oder wie sein Weggefährte und Brieffreund Efraim Frisch 1919 in der Zeitschrift Merkur bemerkt: Und das geschieht nicht am Anderen als Experiment oder an der Zukunft als Utopie, sondern am eigenen leidenden Ich, das aufs tiefste angegraben, umgegraben und aufgewuhlt wird nach jedem Korn und Samen dessen, was kommen muß. Aus seinem Lebensweg und den zunächst toten Buchstaben seiner uberlieferten zahlreichen Briefe, Epigramme, Gedichte, Dramolette, Tagebucher und Aphorismen können wir den Weg seiner eigenen Verwandlung mitgehen und die Funken sozialer Erneuerung losschlagen und uns entzunden. In innerer Seelenarbeit kann so der Weg dieses Dichters als heller Schein und Teil der sozialen Bewegung seiner Zeit und der Zukunft wegweisend auftauchen. Dies durfte zur Zeit der hundertsten Wiederkehr von Morgensterns Erdentod auch weitere Kreise interessieren. Weil er vorweggenommen hat, was mehr und mehr aufgeht und dämmert und in die Schaffung eines sozialen Organismus mundet: Der Einzelne ist fur das Ganze verantwortlich. Das Nationale gehört ins kulturelle, nicht ins politische Leben. Selbstbestimmung des Einzelnen und nicht die Selbstbestimmung der Völker ist die Stimme dieses geistigen Mitteleuropa. Auch im einhundertsten Todesjahr Morgensterns ist uns der Dichter weitgehend als Galgenpoet, wie auch als einzigartiger Lyriker vertraut. Kaum bewußt ist seine Leidenschaft und sein Können als Zeitgenosse. Aus seinen Intuitionen schöpft er Antworten auf die brennende soziale Frage. 1871 hineingeboren in ein unmögliches Reichsgebilde, hat er im Jahr des Ausbruchs des ersten Weltkrieges und dem Zusammenbruch eben dieses Reiches die Erde am 31. März 1914 wieder verlassen. Seit seinem Studium der Nationalökonomie in Breslau hat er zeitlebens kritisch, konstruktiv ja subversiv seinen verwandelnden Blick auch fur das Politische geschult und in zahllosen Tage-buchern, Epigrammen und Briefen mitgeteilt. Wir können ihm als einem Mitarbeiter am sozialen Fortschritt, ja als Wegbereiter einer sozialen Baukunst begegnen. Im Folgenden soll dies in drei Schritten illustriert werden: 1. Zeitgenossenschaft, 2. Das Dreigestirn Christian und Margareta Morgenstern und Michael Bauer sowie 3. Dichtkunst wird Baukunst.Das Buchlein ist eine Überarbeitung zweier Vorträge, die der Verfasser 2012 im Freundeskreis Bismarckhöhe in Werder/Havel und 2013 (fur die Freie Bildungsstiftung) im Rahmen der Akademievorträge im Karl Ballmer Saal, Berlin gehalten hat. Manfred Kannenberg-RentschlerBerlin, zurJahreswende 2013/14