Grundrisse der Freiheit von Philipp Schink

Grundrisse der Freiheit
ISBN/EAN: 9783593511399
Sprache: Deutsch
Umfang: 355 S.
Einband: kartoniertes Buch
Auf Wunschliste
Die philosophischen Auseinandersetzungen um politische Freiheit im 20. Jahrhundert sind durch eine Frontstellung geprägt. Freiheit wird entweder negativ als Abwesenheit von Zwang oder positiv als Freiheit zur Selbstverwirklichung begriffen. Philipp Schink bietet eine andere Deutung an: Er versteht Freiheit als Eigenschaft von Beziehungen, als eine Weise, im Verhältnis zu anderen zu stehen. Frei zu sein bedeute, wie er in diesem Buch zeigt, nicht der Macht anderer Akteure unterworfen zu sein.
Philipp Schink ist Philosoph und lehrt am Institut für Philosophie der Universität Frankfurt am Main.
1. Einleitung 'Liberty is always a kind of dynamite which will blow things up.' Dieses Buch vertritt eine einfache These: Freiheit ist eine Eigenschaft der Beziehungen, die zwischen Akteuren bestehen. Frei zu sein, bedeutet, nicht der Macht anderer Akteure unterworfen zu sein. Mit der These wende ich mich gegen die weit verbreitete Annahme, Freiheit sei im Ausgang etwa der Idee der Selbstbestimmung, oder -verwirklichung zu verstehen. Auch hat Freiheit nichts mit der Umsetzung eigener Wünsche zu tun. Freiheit ist weder als Angelegenheit der effektiv zur Verfügung stehenden Handlungsmöglichkeiten zu betrachten noch als Typ von Wahl- oder Entscheidungsfreiheit. Freiheit ist auch kein Begriff, mit dem die eigene Macht oder Maßgeblichkeit zum Ausdruck gebracht wird. Im Gegenteil. Der Begriff richtet sich stattdessen auf einen Zustand der Beziehung zu anderen, in dem diese nicht maßgeblich sind und man nicht ihrer Kontrolle unterliegt. Freiheit bezeichnet eine Weise, im Verhältnis zu anderen zu stehen. Unter dem Titel 'Freiheit' werden natürlich eine ganze Reihe von recht unterschiedlichen Fragestellungen und Themen behandelt. Wenn ich von Freiheit spreche, meine ich eine Freiheit, die auf einen bestimmten Gegenstandsbereich Bezug nimmt: Wie die meisten Theoretikerinnen, in Auseinandersetzung mit denen ich die These in diesem Buch entwickele, interessiere auch ich mich dafür, Freiheit im Sinne eines proto-politischen oder sozio-politischen Kernkonzepts zu rekonstruieren. Das heißt, es geht mir auch um einem Begriff, der als Grundlage der Verwendung von Freiheit in sozialen und politischen Kontexten dienen kann. Strittig ist, auf welcher Basis und in welcher Weise ein solches Konzept überzeugend entwickelt werden kann und was genau seine Funktion und charakteristischen Eigenschaften sind. Historisch ist ein solches Freiheitsverständnis zunächst anhand der Frage des Zusammenhangs von Freiheit und Politik entwickelt worden. Dabei stand in der Neuzeit das Verhältnis zwischen Individuum und Staat im Mittelpunkt. Die Bedeutung von Freiheit wurde im Horizont der Fragen nach den Grenzen staatlicher Eingriffe, nach den spezifischen Leistungen politischer Ordnungen und der Art und Weise, wie Herrschaft legitimiert werden kann, behandelt. Das Freiheitsverständnis bildete sich stark in konkreten Umbruchsprozessen und Konflikten heraus. Dabei kam ihm immer auch eine erschließende Rolle zu: Der Rekurs auf Freiheit diente dazu, den Charakter von Herrschaftsverhältnissen zu entschlüsseln. In der philosophischen Bearbeitung wurde versucht, ein anspruchsvolles und erhellendes Verständnis politischer Freiheit im Rückgriff auf Handlungs- oder Willensfreiheitskonzepte zu entwickeln. Auch die zeitgenössische Diskussion ist stark durch diese auf Hobbes und Rousseau zurückgehende Herangehensweise geprägt. Im 19. Jahrhundert erfährt im Zuge der dramatischen gesellschaftlichen Transformationsprozesse auch die Freiheitsdiskussion neue Impulse und findet zu einer neuen Ausrichtung. Die elende Lage breiter Bevölkerungsschichten, die auf Gedeih und Vererb dem Beschäftigungswillen anderer ausgeliefert waren und sich als Tagelöhner verdingen mussten, führte zu einem Verständnis von gesellschaftlicher Herrschaft. Diese wurde einerseits darin gesehen, dass eine Gesellschaftsordnung aufgrund ihrer Verfasstheit keine umfassende Bedürfnisbefriedigung, Verwirklichung der eigenen Wünsche oder menschlichen Potentiale ermöglicht. Das Fehlen von Mitteln und Möglichkeiten wurde als der Kern der Unfreiheit selbst begriffen und infolgedessen ein Verständnis von Freiheit entwickelt, das diese im Sinne realer Handlungsmöglichkeiten oder Selbstverwirklichung rekonstruiert. Dem gegenüber wurde andererseits eine Auffassung von Unfreiheit entwickelt, die diese in der sachlich vermittelten Abhängigkeit von anderen Akteuren begründet sieht. Das Fehlen von Gütern und anderen realen Handlungsmöglichkeiten wurde nicht als Unfreiheit selbst begriffen, sondern als Ausdruck und Bed